Die Ölkrise von 1973

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Die Ölkrise - 1973Die wirtschaftliche Situation in Deutschland ließ nach dem Beginn des Wirtschaftswunders in den frühen 1950er Jahren lange keine Wünsche offen. Bemerkenswerte Steigerungsraten des Bruttoinlandsprodukts (BIP), sehr geringe Arbeitslosenquoten und ein hoher Lebensstandard kennzeichneten die Lebensbedingungen in Deutschland viele Jahre lang. Wer arbeiten wollte, fand einen Job.

Auch als Alleinverdiener war es möglich, eine Familie mit mehreren Kindern bequem zu ernähren. Man kann sagen, dass sich eine gewisse Bequemlichkeit und Sorglosigkeit breit gemacht hatte. Große Krisen kannte man nicht und die Gewöhnung an das gute Leben stellte sich zügig ein. Doch dann geschah etwas, das die heile Welt der westlichen Gesellschaften auf den Kopf stellte: Die arabischen Länder drehten den Ölhahn zu.

Ursachen der Ölkrise

Seinen Ursprung hatte die Ölkrise von 1973 im sogenannten Jom-Kippur-Krieg. Am 6. Oktober 1973 – dem höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur – attackierten ägyptische und syrische Armeen Israel, mit dem Ziel, die 1967 von der israelischen Armee besetzten Gebiete, Teile der Sinai-Halbinsel und die Golanhöhen, zurückzuerobern. Da die Aggressoren das Überraschungsmoment auf ihrer Seite hatten und die israelische Armee ihre Kräfte erst mobilisieren musste, konnten in den ersten Tagen nennenswerte Geländegewinne verzeichnet werden. Durch die Unterstützung der Amerikaner, die Israel mit umfangreichen Waffenlieferungen versorgten, wendete sich das Blatt jedoch. Auf Drängen sowohl der westlichen Welt als auch der Sowjetunion wurde am 24. Oktober ein Waffenstillstand ausgerufen. Die arabische Welt zeigte sich aufgrund der Einmischung der USA empört und begann damit, ihr Öl als Druckmittel gegen Amerika und die europäischen Staaten, die die USA unterstützt hatten, einzusetzen.

Weiterer Verlauf der Ölkrise

Natürlich wussten die arabischen Ölstaaten nur zu gut um ihre Verhandlungsposition. Zu dieser Zeit war die Abhängigkeit vom arabischen Erdöl exorbitant. 1973 betrug der Anteil des Erdöls am gesamten Energiebedarf in Deutschland 55 %. Drei Viertel davon kamen aus dem arabischen Raum. Das arabische Öl war schlicht und einfach unverzichtbar. Zudem stand die kalte Jahreszeit vor der Tür und die angelegten Ölreserven waren nicht besonders umfangreich. Die Beschlüsse der OPEC (Organisation of petroleum exporting countries) stellten sich wie folgt dar. Zum einen wurde dramatisch an der Preisschraube gedreht. Der Listenpreis für die Ölsorte “Arabian light” wurde um 70 % erhöht. Damit einher ging eine Drosselung der Fördermengen um 5 %. Als letzte Maßnahme wurde über die USA ein Lieferembargo verhängt. Dieses Embargo traf aber auch ganz Europa, da der größte Umschlagplatz für Erdöl, der Hafen von Rotterdam, ebenfalls nicht mehr beliefert wurde. Die Energiequelle Nummer eins war also zunächst versiegt.

Reaktionen der Regierung

Weil bekannt war, dass die Vorräte an Erdöl maximal ein halbes Jahr reichen würden, stiegen die Preise für Heizöl und Benzin rasch an. Das damalige Kabinett um Bundeskanzler Willy Brandt beschloss daher eine Reihe von Maßnahmen, die, wie sich später herausstellte, von relativ geringem Nutzen waren. Die symbolische Bedeutung jedoch war bemerkenswert. Da das Auto zu dieser Zeit der Deutschen liebstes Kind war, fanden sämtliche Maßnahmen, die eine Einschränkung der Mobilität bewirken sollten, nicht den gewünschten Erfolg. Der Benzinverbrauch entwickelte sich keineswegs rückläufig. Die Einführung eines Sonntagsfahrverbotes an vier Tagen im Winter 1973 und eine generelle Reduzierung des Tempolimits unter dem Mantel des neu ins Leben gerufenen Energiesicherungsgesetzes rütteln zwar gewaltig an den Säulen des Grundgesetzes, bewirken aber faktisch gesehen nur wenig. Die Bürger nehmen diese Einschränkungen zwar einigermaßen gelassen hin, jedoch bleibt die einschneidende Wirkung des Ölembargos im Gedächtnis haften. Wie sehr die deutsche Wirtschaft vom arabischen Öl abhängig ist, wurde den Menschen im Jahr 1973 auf schmerzliche Art vor Augen geführt.

Langfristige Auswirkungen der Ölkrise

Auch wenn das Embargo zum Jahresende aufgehoben wurde, hatte sich die Welt verändert. Das Öl wurde zwar geliefert, jedoch mittlerweile zum vierfachen Preis. Diese massiven Preiserhöhungen waren ein Schock für die deutsche Wirtschaft. Die Autoproduktion brach ein, da die Nachfrage nach PKWs in den Keller ging. Betroffen waren aber auch alle anderen Industriezweige, die für die Herstellung ihrer Produkte auf Erdöl angewiesen waren. Als Folge nahm der Stellenabbau massiv zu, Kurzarbeit in den Betrieben wurde eingeführt und die Zahl der Arbeitslosen wuchs Monat für Monat. Das Bruttoinlandsprodukt, das vor der Ölkrise fast zweistellige Wachstumsraten verzeichnen konnte, sank auf ein bescheidenes Niveau. Die Zeit des Wirtschaftswunders war vorbei.

Wege aus der Krise

Die Abhängigkeit von arabischem Öl war ein Problem, welches in der Form so nicht weiter bestehen sollte. Natürlich konnte man nicht von heute auf morgen neue Energiequellen erschließen oder den Verbrauch signifikant reduzieren. Dennoch entstand zu dieser Zeit eine generelle Diskussion um alternative Energiegewinnung. Der Löwenanteil aller in Deutschland gebauten Kernkraftwerke wurde nach der Zeit der Ölkrise geplant. Aber auch mögliche Einsparmaßnahmen wurden diskutiert. Zum ersten Mal befasste sich eine ganze Bewegung mit Maßnahmen, die den Schutz der Umwelt als Ziel hatte. Die Diskussion über die Energiewende ist bekanntlich noch in vollem Gange und muss aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden. Die Finanzierbarkeit von Energiepreisen muss dabei im Zentrum der Überlegungen stehen. Denn der Durchschnittsbürger muss am Ende bereit und in der Lage sein, seine Rechnungen zu bezahlen. Wenn ein Fachinformatiker als relativ gut bezahlte Fachkraft teilweise bis zu zehn Prozent seines Nettoeinkommens für Strom, Heizöl und Benzin ausgeben muss, kann die Rechnung nicht aufgehen. Erst recht nicht, wenn man bedenkt, dass es schon jetzt eine hohe Anzahl an armutsgefährdeten Haushalten gibt.



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